Kontinuität im Wandel

Kontinuität im Wandel

Die Jermann AG ist gewachsen und organisatorisch näher zusammengerückt. Dadurch ist das Unternehmen auch für die Herausforderungen der Zukunft gut aufgestellt. Ein Gespräch mit Geschäftsführer Fabian Frei.

Was sind aus Ihrer Sicht die Höhepunkte des vergangenen Jahres?
Es gibt viele! Ich könnte es mir einfach machen und zwei oder drei Projekte hervorheben, die unsere Firma im letzten Jahr begleiten oder zu Ende führen durfte. Doch hinter den Leistungen stehen Menschen mit ihren Ideen, Vorstellungen und vor allem mit ihrem unermüdlichen Einsatz. Für mich ist es stets ein Höhepunkt, wenn ich sehe, wie sich unsere Mitarbeitenden einbringen und die Entscheidungen der Geschäftsleitung unterstützen. Nicht selbstverständlich, ist doch das Unternehmen in den letzten Jahren stark gewachsen. Es war für die Mitarbeitenden nicht immer einfach, die Veränderungen mitzutragen. Der Dank geht an alle Mitarbeitenden.

Veränderungen wie der Zusammenschluss der vier Unternehmen? 
Wir arbeiten bereits seit acht Jahren eng zusammen. Damals gab es sicher noch den einen oder anderen kulturellen Unterschied in den Firmen. In der Zwischenzeit sind wir zu einer schlagkräftigen Mannschaft zusammengewachsen. Deshalb haben wir beschlossen, die Schenk AG in Liestal, die Geoprat in Pratteln, das CAD Rechenzentrum AG in Allschwil und die Jermann AG in Arlesheim auch rechtlich zusammenzuführen. All diese Firmen signieren künftig unter dem Namen Jermann Ingenieure + Geometer AG. Doch mit Veränderungen meine ich auch, dass wir beispielsweise unsere familienfreundlichen Strukturen ausgebaut haben.

Was ist darunter zu verstehen? 
Wir wollen mit offenen Augen mit den gesellschaftlichen Veränderungsprozessen Schritt halten und eine Kultur umsetzen und leben, in der die Familie wie der persönliche Freiraum neben dem Beruf Platz haben soll, um auch als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben. Zum einen ist es nicht einfach, Fachkräfte zu rekrutieren.

«Hinter den Leistungen stehen Menschen mit ihren Ideen und ihrem unermüdlichen Einsatz.»

Auf einen Hochschulabgänger in der Geomatik fallen im Moment mindestens fünf Arbeitsplatzangebote. Zum anderen hält die heutige Generation, neben interessanten Berufsperspektiven, auch Werte wie den persönlichen Freiraum oder die Vereinbarkeit von Beruf und Familie hoch. Weiter ist mir die berufliche und persönliche Entwicklung der Mitarbeitenden ein grosses Anliegen.

Wie sehen diese aus? 
Ein flexibles Arbeitszeit- oder Teilzeitmodell haben wir beispielsweise eingeführt. Die Mitarbeitenden profitieren von der Möglichkeit, unbezahlten Urlaub oder Home Office-Tage zu beantragen. Oder wir haben das erste Mal ein Projekt mit den Auszubildenden initiiert, welches unsere Lernenden vollumfänglich selber gestaltet haben. So organisierten sie einen dreitägigen, praxisbezogenen Vermessungseinsatz auf der Bergstrecke der Furka-Dampfbahn. Wir hatten auch den Mut, auf der mittleren Kaderstufe eine Kollektivführung einzuführen, um junge Ingenieure auf künftige Managementaufgaben vorzubereiten. Seit einem Jahr teilen sich vier Ingenieure die Verantwortung im Bereich der Bau- und Ingenieurvermessung.

Wie hat sich dieses neue Modell in der Praxis bewährt?
Bisher ist die Resonanz mehr als positiv. Das wird nicht nur von den vier Verantwortlichen, sondern auch von deren Bereichsmitarbeitenden bestätigt. Mit dem neuen Führungsmodell verteilen wir die inhaltliche und zeitliche Verantwortung auf mehrere Schultern. Die Kompetenzen sind breiter vorhanden und die Stellvertretung ist immer sichergestellt.  Aber auch wirtschaftlich zahlt es sich aus. Seit unser junges Team das Zepter übernommen hat, boomt die Bau- und Ingenieurvermessung bei Jermann. Übrigens entlastet die neue Führungsstruktur auch mich. Ich bin weit weniger mit operativen Detailfragen beschäftigt als früher.

Ein Modell, das sich auch auf die vier anderen Geschäftsfelder anwenden lässt?
Das ist direkt abhängig von der personellen Konstellation im jeweiligen Bereich. Ich bin der Meinung, Führung kann in der Praxis nicht als Modell funktionieren. Die jeweilige Situation ist individuell zu beurteilen und mit den betroffenen Führungsverantwortlichen ist die richtige Lösung zu finden.

«Wir wollen als Arbeitgeber attraktiv sein mit einer Kultur, in der Familie und persönlicher Freiraum neben dem Beruf Platz haben.»

Der Kanton Basel-Landschaft hat beschlossen, die Amtliche Vermessung vollumfänglich privaten Unternehmen zu übertragen. Braucht es in diesem Bereich im erhöhten Wettbewerb mehr Schlagkraft? 
Schlagkraft braucht es als privates Unternehmen immer. Vor rund acht Jahren entschied sich der Kanton Basel-Landschaft, die Nachführung der Amtlichen Vermessungen Schritt für Schritt privaten Unternehmen zu übergeben. Diese Private Public Partnership hat den Wettbewerb erst möglich gemacht. Wir haben uns gut auf diese Situation vorbereitet. Heute verantworten wir die Amtliche Vermessung für 60 Gemeinden im Kanton. Mit Freude bilanzieren wir nach Abschluss dieses Privatisierungsprozesses, dass uns im vergangenen Jahr 8 von 10 Gemeinden in einem öffentlichen Wettbewerbsverfahren (Submission) den Zuschlag erteilt haben. Das zeigt, dass wir über genügend Schlagkraft verfügen.

Keine Angst, zu wachsen? 
Nein, eigentlich nicht. Trotz der Verdoppelung des Mitarbeiterbestandes in den letzten zehn Jahren haben wir uns auf das Kerngeschäft fokussiert. Eines ist klar: Mit der Grösse des Unternehmens verändern sich die Herausforderungen. Wir stellen uns diesen und denken immer darüber nach, wie wir uns als Unternehmen verbessern können.

Was werden die unmittelbaren Herausforderungen sein? 
Im laufenden Jahr konsolidieren wir das starke Wachstum in allen Geschäftsbereichen. In erster Priorität gilt es unseren hohen Erwartungen an die Qualität der Dienstleistungen und Prozesse gerecht zu werden. Dazu gehört unter anderem, unsere Prozesse mit einem komplett erneuerten Instrumentenpark laufend zu verbessern.

Welche Zukunftsziele hat das Unternehmen?
Wir denken über die Zukunft des Unternehmens in Szenarien von fünf Jahren nach. Wohin wollen wir? Welche Risiken bestehen? Was sind die Chancen und welche Stärken bringen wir mit? Das sind Fragen, die uns auch bei der Strategie 2020+ beschäftigen werden. Wir interpretieren den eingeschlagenen Weg jedoch nicht starr. So war es auch mit der Strategie 2015+, die nun zu einem Abschluss kommt. Und wenn ich mir die damaligen Zielsetzungen anschaue, dann haben wir sehr vieles erreicht, von dem was wir uns vorgenommen haben.

«Auch unsere Kunden profitieren von den laufenden Innovationen und von der Weiterentwicklung unserer Mitarbeitenden.»

Inwiefern profitieren Ihre Kunden von der neuen Ausrichtung?
Im Bezug auf den Zusammenschluss  der vier Unternehmen ändert sich für unsere Kunden nichts. Wir werden weiterhin an unseren vier Standorten im Baselbiet tätig sein. Die Ansprechpartner bleiben für unsere Kunden dieselben. Auch im Wandel bleibt unsere Arbeitsmaxime: Qualität, Innovation und Zuverlässigkeit. Von den laufenden Innovationen und Prozessverbesserungen sowie der bewussten Weiterentwicklung unserer Mitarbeitenden, davon bin ich überzeugt, werden auch unsere Kunden profitieren.

Eine letzte Frage: Herr Frei, woher holen Sie die Kraft und Inspiration für Ihre Arbeit?
Die Familie, meine Frau und meine Kinder, die Lektüre und der Sport sind für mich wichtige Inspirationsquellen. Bewusst halte ich meinen Alltag lebendig. Ich bin offen und neugierig, sauge vieles auf und gehe gerne auf meine Mitmenschen zu. Die Abwechslung motiviert mich und es gefällt mir, wenn kein Tag dem anderen gleicht. Das ist natürlich aufregend und anstrengend zugleich. Mit fortschreitendem Alter merke ich aber auch, dass ich die Pace herunterfahren muss. So setze ich bewusst Pausen ein, damit ich Familie und Beruf zeitlich besser miteinander verbinden kann.


Das Interview führte Paolo D’Avino