Der Situationsplan – Quo vadis?

Der Situationsplan – Quo vadis?


«Dem Baugesuch ist ein Situationsplan beizulegen» - so oder ähnlich wird dies in allen Kantonen und Gemeinden unseres Landes durch die Baubewilligungsbehörden verlangt. Doch was beinhaltet dieser Plan, welchem Zweck dient er und was sind die rechtlichen Anforderungen?

Die laufende Digitalisierung der Daten und Prozesse verändern unsere Sichtweise und Bedürfnisse. Raumbezogene Daten und Verwaltungsprozesse, zu denen der Situationsplan und das Baugesuchsverfahren zählen, sind klassische Beispiele, die in der aktuellen Entwicklung hinterfragt werden und den neuen Möglichkeiten und Erwartungen anzupassen sind.
Dieser Beitrag richtet sich in diesem Kontext auf die aktuelle und zukünftige «Reise» des Situationsplanes im Baugesuchsverfahren und macht dazu einige Anregungen.

Zuerst zur Frage der Herkunft und Inhaltes des Situationsplanes

Der Situationsplan ist ein grafischer Auszug aus dem Plan für das Grundbuch. Im Plan für das Grundbuch werden Lage, Form und Inhalt eines Grundstücks festgehalten. Diese Informationen werden durch die amtliche Vermessung erhoben. Der Plan für das Grundbuch ist ein amtliches Dokument und Bestandteil des Grundbuchs. Die festgehaltenen Grenzverläufe von Grundstücken haben Rechtswirkung. Der Plan dient dadurch der Sicherung des Grundeigentums.
Im Baugesuchsverfahren wird in der Regel ein beglaubigter Situationsplan verlangt. Die Beglaubigung bezweckt eine amtliche Bescheinigung der Richtigkeit des Planinhaltes. Diese Beglaubigung erfolgt durch den zuständigen Nachführungsgeometer in Form einer Unterschrift auf dem Situationsplan.
Für das Baugesuch relevant sind auch sämtliche öffentlich- rechtlichen und privat-rechtlichen Beschränkungen. Dies sind insbesondere Baulinien (Strassen-, Gewässer, Waldbaulinien), Zonengrenzen und Abstände zu Strassen, Grenzen und Gebäuden.
Der Situationsplan ist ein wichtiger Bestandteil der Baueingabe. Darin sind u. a. die Stellung und die Abstände der projektierten Bauten und Anlagen zu den Grundstücksgrenzen und den benachbarten Bauten und Anlagen, sowie Elemente öffentlich-rechtlicher Eigentumsbeschränkungen (ÖREB) enthalten.

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Abb. Situationsplan mit eingezeichnetem Bauprojekt

Welchem Zweck dient der Situationsplan zum Baugesuch?

Der Situationsplan zum Baugesuch dient zur Beurteilung des Bauvorhabens. Mit diesem Plan wird der Nachweis erbracht, dass die geometrischen Anforderungen gegenüber der Nachbarschaft und der Öffentlichkeit eingehalten werden. Dies setzt voraus, dass sämtliche Planinhalte getreu, d.h. vollständig, aktuell und geometrisch korrekt, dargestellt werden. Sowohl die Prüfbehörde als auch die ins Baugesuchsverfahren involvierten Nachbarparzelleneigentümer müssen sich auf den Inhalt und die Darstellung des Situationsplanes verlassen können.

Die rechtlichen Anforderungen

Die rechtlichen Anforderungen sind kantonal und kommunal in der Regel auf Verordnungsstufe geregelt.
Als Beispiel im Kanton Baselland, § 87 der Raumplanungs- und Bauverordnung (RBV) Abs. 2 heisst es:
Dem Baugesuch sind beizulegen: a. ein höchstens ein halbes Jahr alter datierter Originalsituationsplan des zuständigen Nachführungs-Geometerbüros. … und e. die Kopie des Situationsplanes mit eingezeichnetem Projekt, Grenzabstandspolygon, Baulinien, Fixpunkt, EG-Kote, Nordpfeil, Strassenname oder Flurbezeichnung in 4-facher Ausfertigung;
 
Im Kanton Basel-Stadt finden sich detaillierte Angaben in den Ausführungsbestimmungen zur Bau- und Planungsverordnung (ABPV), in §23 heisst es:
Dem Baubegehren ist das Dokument «Situationsgrundlagen für Baugehren» des Grundbuch- und Vermessungsamtes im Original, Ausdruck maximal 3 Monate alt, beizulegen. Auf diesem Dokument dürfen keine Eintragungen vorgenommen werden.
Und in § 24: Jedes Gesuchsdossier muss eine Kopie des Situationsplanes aus den Situationsgrundlagen enthalten, auf welchem das projektierte Bauvorhaben eingezeichnet ist und vermasst sein muss.g auswirkte.

Situationsplan und ÖREB-Kataster

Seit Anfang 2020 betreiben mit Ausnahme des Kanton St. Gallen alle Kantone ein ÖREB-Katastersystem. In der Schweiz gibt es mehr als 150 verschiedene öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkungen (ÖREB). Beim Aufbau des ÖREB-Katasters werden in einer ersten Phase auf Bundesebene die 17 wichtigsten Eigentumsbeschränkungen aus acht Bereichen in den Kataster aufgenommen. Dazu gehören Raumplanung, Nationalstrassen, Eisenbahnen, Flughäfen, Belastete Standorte, Grundwasserschutz, Lärm und Wald.
Der Plan für das Grundbuch (Daten der amtlichen Vermessung) bilden die Referenzdaten des ÖREB-Katasters. Die Trennlinie zwischen dem Grundbuch und dem Kataster der öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen (ÖREB-Kataster) betreffend öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen ist in der Praxis nicht (oder noch nicht) so genau definiert. Gemäss Angaben auf cadastre.ch (Eidg. Vermessungsdirektion) wird im Einzelfall (mit individuell-konkreten Rechtsakten) zwischen angeordneten öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen (z.B. belastete Standorte) und den Eigentumsbeschränkungen, die sich aus Allgemeinverfügungen oder als Beschlüsse (z.B. Gemeindebaureglement) für einen bestimmten Perimeter ergeben, differenziert.
Abgrenzung von OeREB-Kataster und Grundbuch (cadastrech).png

Abb. Abgrenzung von ÖREB-Kataster und Grundbuch (cadastre.ch)

Wo bereits vorhanden, sind die Informationen digital oder analog erhältlich. Die kantonalen ÖREB-Geoportal erlauben, diese Informationen über das Internet abzurufen. Dabei wird unterschieden zwischen der dynamischen Online-Abfrage via ÖREB-Geoportal – dem dynamischen Katasterauszug – und dem statischen ÖREB-Katasterauszug – auf Papier oder als PDF-Datei.
Ausschnitt OeREB-Kataster – Kommunale Baulinien Parz. 2239.png

Abb. Ausschnitt ÖREB-Kataster – Kommunale Baulinien Parz. 2239

Der Plan für das Grundbuch und der ÖREB-Kataster liefern also die Inhalte, die vom Situationsplan für das Baugesuch gefordert sind.
Abb. Auschnitt beglaubigter Situationsplan – Vermassung der Baulinenabstaende Parz. 2239.png

Abb. Auschnitt beglaubigter Situationsplan – Vermassung der Baulinenabstände Parz. 2239

Aktuelle Entwicklungen in den Kantonen

Unsere Recherche in den Kantonen BL, BS, SO, AG, ZH, LU, UR, TG, BE und GR zeigt, dass die aktuellen Rechtsgrundlagen und die Praxis der Bewilligungsbehörden sehr heterogen sind. Generell werden die kantonalen gesetzlichen Vorgaben sowohl kantonal als auch kommunal nicht konsequent eingehalten. In Kantonen mit kommunaler Bewilligungsinstanz (z.B. SO, AG, ZH, LU, UR, TG, GR) verlangen die Gemeinden und Städte in der Regel einen beglaubigten Situationsplan oder eine Richtigkeitsbestätigung des Situationsplanes (Plan mit eingezeichnetem Projekt, in der Regel durch den Architekten erstellt). Die Beglaubigung des Situationsplanes oder die Richtigkeitsbestätigung erfolgt durch eine baugesuchsunabhängige Person, i.d.R. durch den zuständigen Nachführungsgeometer. Der Kanton BL verweist neu in seiner Wegleitung des Bauinspektorates auf den Originalsituationsplan aus dem ÖREB-Kataster. Eine Beglaubigung oder Richtigkeitsbestätigung wird nicht als zwingend vorausgesetzt.
Etliche Kantone sind bereits an der Einführung eines vollständig digitalen Baugesuchprozesses oder machen sich konkrete Überlegungen dazu. Dabei wird auch der Prozess einer digitalen Beglaubigung oder Richtigkeitsbestätigung entwickelt. Bis dahin wird in den meisten Fällen am analogen beglaubigten Situationsplan festgehalten.

Ausblick und Anregung

Die Nutzung der digitalen kommunalen und kantonalen Geoportale und des ÖREB-Katasters als Informationsplattform für eine breite Öffentlichkeit ist äusserst positiv zu bewerten. Die Verantwortlichen für die Daten der amtlichen Vermessung (Nachführungsgeometer) und ÖREB-Daten (Div. Datenverwaltungsstellen) sorgen laufend für den qualitativ hochstehenden Unterhalt der AV- und ÖREB-Daten und für eine regelmässige Aktualisierung der publizierten Daten in den kantonalen und kommunalen Webportalen.
Automatisch erstellten Auszügen aus den digitalen Webportalen fehlt aber die Verbindlichkeit und die Rechtskraft. Es kann nicht verhindert werden, dass Diskrepanzen im Planinhalt aus Nachführungs- und / oder Uploadfristen entstehen (technisch oder verfahrensbedingt). Die Grunddaten der Amtlichen Vermessung und des ÖREB-Katasters stehen heute den Gesuchstellern zur freien Bearbeitung zur Verfügung. Dies vereinfacht und unterstützt deren Abläufe. Es kommt aber auch vor, dass im Zuge der Projektdarstellung wichtige Planinhalte verloren gehen oder auch verändert dargestellt werden (versehentlich oder bewusst). Das Beibringen der rechtskräftigen Situation oder die Richtigkeitsbestätigung der Grundlagen und Abstände schliesst diese Fehlerquelle aus und wahrt die Rechtssicherheit.
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Abb. Folge einer Baubewilligung ohne beglaubigten Situationsplan und Richtigkeitsbestätigung

Der beglaubigte Situationsplan oder eine Richtigkeitsbestätigung eines Situationsplanes mit dem Baugesuch durch den Nachführungsgeometer als Grundlage für die Baubewilligung schafft Rechtssicherheit für die Behörde als auch die betroffenen Eigentümer in der Nachbarschaft.
Die digitalen Prozesse halten weiter Einzug. Entsprechend ist auch der digitale Projektierungs- und Baugesuchsprozess aufeinander abzustimmen. In diesem Kontext ist sicherzustellen, dass weiterhin vollständige, geometrisch korrekte und rechtsgültige Daten erfasst und unabhängig geprüft werden. Die gesetzlichen Grundlagen und Weisungen sind in diesem Sinne anzupassen und konsequent einzuhalten.

Text: Fabian Frei